Gesellschafter-Geschäftsführer – die Möglichkeiten eines Dienstverhältnisses nach dem ASVG
Die Beurteilung der Dienstnehmereigenschaft von geschäftsführenden Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist immer wieder Gegenstand zahlreicher Anfragen. Anhand der diesbezüglich relevanten Kriterien – wie Beteiligungsausmaß, Inhalt des Gesellschaftsvertrages und des Arbeitsvertrages – sowie insbesondere in Hinblick auf die jüngst hierzu ergangene Judikatur, die sich auch aus der bisherigen Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ableiten lässt, informieren die Gebietskrankenkassen dazu wie folgt:
Unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen und der hierzu ergangenen Judikatur wird bei der Beurteilung, ob eine Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eintritt, zwischen „bloßen“ Gesellschaftern und geschäftsführenden Gesellschaftern unterschieden. Bei beteiligten gewerberechtlichen Geschäftsführern ist die Prüfung der Pflichtversicherung analog der Regelung für Gesellschafter bzw. geschäftsführende handelsrechtliche Gesellschafter vorzunehmen.
Voraussetzungen für ein Dienstverhältnis
Damit überhaupt ein Dienstverhältnis nach dem ASVG begründet werden kann, ist es erforderlich, dass der geschäftsführende Gesellschafter über seine Organstellung als Geschäftsführer hinaus tatsächlich eine Tätigkeit für die GmbH ausübt. Trifft dies zu, ist anhand der Prüfreihenfolge zu untersuchen, ob zunächst die „klassischen“ Dienstnehmermerkmale im Sinne des § 4 Abs. 2 erster Satz ASVG (Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt) vorliegen.
„Klassischer“ Dienstnehmer
Bei geschäftsführenden Gesellschaftern ist hierbei von Bedeutung, ob sie im Hinblick auf das Ausmaß ihrer Beteiligung am Stammkapital der GmbH einen maßgeblichen Einfluss auf die Gestion der Gesellschaft ausüben können.
Ein solcher maßgeblicher Einfluss ist dann anzunehmen, wenn der jeweilige Nur-Gesellschafter über mehr als 50% des Stammkapitals verfügt. Bei geschäftsführenden Gesellschaftern schließt grundsätzlich bereits eine 50%ige Beteiligung bzw. eine Sperrminorität ein „klassisches“ Dienstverhältnis aus.
Die Prüfung einer maßgeblichen Einflussnahme ist immer anhand der bestehenden Gesellschaftsverträge vorzunehmen. Dabei ist insbesondere auf spezielle im Vertrag geregelte Abstimmungsmodalitäten (wie beispielsweise Einstimmigkeit, qualifizierte Mehrheit, besondere Regelung bezüglich Stimmgewichtung) Bedacht zu nehmen.
Kommt man zum Ergebnis, dass eine beherrschende Einflussnahme auf Grund der Beteiligung oder besonderer Beschlussfassungsregelungen nicht möglich ist, richtet sich das Augenmerk auf das (überwiegende) Vorliegen der Dienstnehmermerkmale, wie etwa die persönliche Arbeitsverpflichtung, die Weisungsgebundenheit, etc.
Lohnsteuerpflichtiger Dienstnehmer
Sind die Voraussetzungen für ein "klasisches“ Dienstverhältnis nicht gegeben, ist zu prüfen, ob die Kriterien nach § 4 Abs. 2 letzter Satz ASVG erfüllt sind. Demnach gilt jedenfalls als Dienstnehmer, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) der Lohnsteuerplicht unterliegt.
Ein lohnsteuerpflichtiges Dienstverhältnis liegt nach dem EStG1988 grundsätzlich dann vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist dann der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ob die Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH „ihre Arbeitskraft schulden“, ist auf Grund der zwischen den Geschäftsführern und der GmbH bestehenden schuldrechtlichen Verhältnisse zu beurteilen (vgl. VwGH 24.11.2016, 2013/13/0046).
Zu dem Merkmal der Eingliederung des tätigen geschäftsführenden Gesellschafters in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft stellte der VwGH fest, dass diese durch jede nach außen hin auf Dauer angelegt erkennbare Tätigkeit hergestellt wird, mit welcher der Unternehmenszweck der Gesellschaft verwirklicht wird (vgl. VwGH 10.11.2004, 2003/13/0018). Diese kommt im Rahmen der Führung des Unternehmens durch einen handelsrechtlichen Geschäftsführer (funktionale organisatorische Einbindung) bzw. durch sonstiges operatives Wirken zum Ausdruck.
Ein lohnsteuerpflichtiges Dienstverhältnis ist weiters bei Gesellschaftern, die an einer Kapitalgesellschaft mit nicht mehr als 25% beteiligt sind, auch dann anzunehmen, wenn bei einer sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisenden Beschäftigung die Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen, auf Grund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmungen fehlt. In diesem Zusammenhang ist auf eine interessante Entscheidung des VwGH vom 24.11.2016, 2013/13/0046, zur Beitragspflicht des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DB) zu verweisen.
Demnach unterliegen nicht wesentlich beteiligte (< 25%) Gesellschafter-Geschäftsführer der DB-Pflicht, wenn die allgemeinen Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses nach § 47 Abs. 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 erfüllt sind. Mangels persönlicher Weisungsgebundenheit war dies jedoch im konkreten Fall zu verneinen, weil
- diese vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen wurde,
- die nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer an keine bestimmten Arbeitszeiten oder Tätigkeitsorte gebunden waren,
- sie den Umfang ihrer Arbeitsleistung selbst bestimmen konnten und
- sie überdies die Möglichkeit hatten, sich (unter Einhaltung der berufsrechtlichen Vorschriften) vertreten zu lassen.
Die Annahme der Weisungsgebundenheit der Gesellschafter-Geschäftsführer kann dabei auch nicht erfolgreich auf die sich aus dem GmbH-Gesetz ergebende Verpflichtung gestützt werden, den Beschlüssen der Generalversammlung Folge zu leisten. Maßgeblich für die Beurteilung der Weisungsgebundenheit von Gesellschafter-Geschäftsführern ist nämlich nicht die sachliche, sondern die davon zu unterscheidende persönliche Weisungsgebundenheit (vgl. VwGH 21.4.2016, 2013/15/0202).
Die Bindung eines Geschäftsführers an den Gesellschaftsvertrag und die Gesellschafterbeschlüsse stellt bloß eine sachliche Weisungsgebundenheit dar. Im konkreten Fall wurde daher vom VwGH die DB-Pflicht mangels Vorliegen eines lohnsteuerpflichtigen Dienstverhältnisses verneint.
Bei mittätigen Gesellschafter-Geschäftsführern mit mehr als 25% Beteiligung am Stammkapital der GmbH handelt es sich um keine Dienstnehmer im steuerrechtlichen Sinn.
Eine Pflichtversicherung nach dem ASVG besteht demnach nur bei Vorliegen eines „klassischen“ Dienstverhältnisses nach § 4 Abs. 2 erster Satz ASVG, wobei die einzelnen Kriterien – wie bereits zuvor beschrieben – zu prüfen sind.
Kein Dienstverhältnis
Besteht kein Dienstverhältnis, unterliegen geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH der Pflichtversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG).
Voraussetzung dafür ist, dass die GmbH Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft ist. Sollte dies nicht der Fall sein, kann eine Pflichtversicherung als freier Dienstnehmer oder subsidiär als „Neuer Selbständiger“ eintreten. Letzteres ist auch bei mittätigen „bloßen“ Gesellschaftern denkbar, die nicht als Dienstnehmer zu qualifizieren sind. Die gesetzlich vorgesehene Prüfreihenfolge ist zu beachten.
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