VwGH: Wann ist ein Vertretungsarzt Dienstnehmer, wann als selbständig zu beurteilen?
Handelt ein Vertretungsarzt im eigenen Namen und auf eigenes Risiko und fehlt zudem auch eine persönliche Weisungsgebundenheit, ist er nicht als Dienstnehmer des Ordinationsinhabers mit Kassenvertrag anzusehen. Folglich fallen für ihn auch keine Dienstgeberbeiträge an.
Sachverhalt:
Ein Facharzt, der eine Ordination mit Kassenvertrag betreibt, ließ sich an ein bis zwei Nachmittagen pro Woche von zwei hauptberuflich in einem Spital angestellten Ärztinnen vertreten. Die Patienten wurden durch einen Aushang im Empfangsbereich der Ordination über den Namen des jeweiligen behandelnden Arztes informiert. Als Entlohnung erhielten die beiden Vertretungsärztinnen einen Pauschalbetrag pro Nachmittag. Strittig war, ob die Vertretungsärztinnen selbständig tätig waren oder ein Dienstverhältnis zwischen vertretenem Arzt und Vertreterin vorlag, aus dem u.a. die Pflicht des vertretenen Arztes zur Entrichtung von Dienstgeberbeiträgen resultieren würde. Das Finanzamt bejahte die Dienstnehmereigenschaft der Vertretungsärztinnen und setzte gegenüber dem vertretenen Facharzt die Dienstgeberbeiträge fest. Da auch das Bundesfinanzgericht dieser Ansicht folgte, erhob der Facharzt Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH).
Entscheidung des VwGH
Nach Ansicht des VwGH ist die Dienstnehmereigenschaft der Vertretungsärztinnen vorwiegend aufgrund folgender Kriterien zu beurteilen:
- Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber
- Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers
Nur in Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständigen und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist auf weitere Abgrenzungskriterien, wie beispielsweise das Fehlen eines Unternehmerrisikos und der Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall war vor allem ausschlaggebend, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Behandlungsverträge in der Regel nicht mit dem Vertretenen, sondern mit den Praxisvertreter/innen zustande kommen, wenn die Patienten mittels entsprechender Maßnahmen, wie beispielsweise dem Anbringen eines Hinweisschildes im Empfangsbereich der Ordination, vor Beginn der Behandlung über die Vertretung aufgeklärt werden. Da der Behandlungsvertrag somit (idR stillschweigend) zwischen dem Patienten und den Vertretungsärztinnen zustande kam, führte dies auch zur vollen vertraglichen Haftung der Vertretungsärztinnen gegenüber den Patienten. Es lag somit eine Tätigkeit der Vertretungsärztinnen im eigenen Namen und auf eigenes Risiko vor. Andere für das Vorliegen eines Dienstverhältnis sprechende Kriterien, wie etwa die Entlohnung der Ärztinnen mit einem Pauschalbetrag, treten dadurch in den Hintergrund. Da zudem keine tragfähigen Feststellungen über eine persönliche Weisungsgebundenheit vorlagen, kam der VwGH zum Schluss, dass die Vertretungsärztinnen im betroffenen Fall nicht als Dienstnehmerinnen zu qualifizieren waren und hob die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts daher als inhaltlich rechtswidrig auf.
Aus der VwGH-Entscheidung geht hervor, dass bei der Beurteilung eines Vertretungsarztes als Dienstnehmer die Information der Patienten eine zentrale Rolle spielt. Wir empfehlen daher die Patienten über die Vertretung vorab eindeutig aufzuklären (z.B. Hinweisschild am Ordinationsschild oder im Behandlungsraum, Information durch die Mitarbeiter in der Praxis). Fehlt zudem eine persönliche Weisungsgebundenheit der Vertretungsärzte völlig, so schließt dies ein Dienstverhältnis aus und es besteht daher keine Dienstgeberbeitragspflicht für den vertretenen Arzt.
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Stand: 16. April 2019 | Autor: Dominik Schwabl | LBG
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