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DBA-Italien: COVID-bedingtes Homeoffice schadet der Anwendbarkeit der Grenzgängerregelung nicht und begründet keine DBA-Betriebsstätte

Pendelt eine natürliche Person, die in einem der beiden Vertragsstaaten in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz hat üblicherweise zum Arbeitsort im anderen Vertragsstaat in der Nähe der Grenze, dürfen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nur in dem Staat besteuert werden, in dem die Person ansässig ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn Arbeitnehmer zur Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 im Homeoffice arbeiten. Diese Maßnahme dient dazu, das Ausmaß der persönlichen Belastungen für grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer angesichts der COVID-19-Pandemie möglichst gering zu halten. Umfasst davon ist die Ausübung unselbständiger Beschäftigung, die zwischen dem 11. März 2020 und dem 30. Juni 2020 ausgeübt wurde, sie erstreckt sich vom 30. Juni 2020 automatisch vom Ende eines Kalendermonats bis zum Ende des nächsten Kalendermonats, es sei denn, sie wird von der zuständigen Behörde eines Vertragsstaats mindestens eine Woche vor Beginn des folgenden Kalendermonats durch eine schriftliche Erklärung gekündigt. Dies entspricht einer jüngst zwischen der Republik Österreich und der Republik Italien abgeschlossenen Konsultationsvereinbarung zur Grenzgängerregelung (Art 15 Abs 4 DBA-Italien). In diesem Zusammenhang ist auch die weitere Rechtsansicht des BMF von Bedeutung: Übt ein in Österreich ansässiger Arbeitnehmer eines im Ausland ansässigen Unternehmens während der COVID-19 Pandemie seine Tätigkeit aufgrund der von den jeweiligen Regierungen ausgesprochenen Empfehlungen im Homeoffice aus, so ist dies auf höhere Gewalt zurückzuführen. Angesichts der außergewöhnlichen Natur der COVID-19 Krise wird dadurch – sofern die Arbeit im Homeoffice nicht zum Regelfall wird – keine abkommensrechtliche Betriebsstätte für das ausländische Unternehmen begründet werden, weil es hierbei an einem ausreichenden Maß an Beständigkeit bzw. Kontinuität sowie an einer ausreichenden Verfügungsmacht des Unternehmens über das Homeoffice fehlt.


Generelle Zuordnungsregeln für Einkünfte
aus unselbständiger Tätigkeit im DBA-Italien

Doppelbesteuerungsabkommen regeln die Zuordnung von Einkünften je nach der Einkunftsart und den Umständen der Einkunftserzielung einem der Vertragsstaaten zur Besteuerung zu. Im DBA Österreich-Italien wurde dies für Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in Art 15 wie folgt geregelt:

Abs. 1: Vorbehaltlich der Artikel 16 (Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütung), 18 (Ruhegehälter) und 19 (Öffentliche Funktionen) dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden („Ansässigkeitsstaatsprinzip“), es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden („Tätigkeitsstaatsprinzip“).

Abs. 2: Ungeachtet des Absatzes 1 dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine in dem anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden, wenn

  1. der Empfänger sich in dem anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres aufhält,
  2. die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht in dem anderen Staat ansässig ist, und
  3. die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber in dem anderen Staat hat.

Abs. 3: Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels dürfen Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.

Abs. 4: Eine natürliche Person, die in einem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und in dem anderen Vertragsstaat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort hat und sich üblicherweise zur Arbeit dorthin begibt, darf mit ihren Einkünften aus unselbständiger Arbeit nur in dem Staat besteuert werden, in dem sie ansässig ist („Grenzgängerregelung“).

In einer jüngst zwischen der Republik Österreich und der Republik Italien abgeschlossenen Konsultationsvereinbarung zu Art 15 Abs. 4 DBA-Italien („Grenzgängerregelung“) wurde nun zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in Bezug auf die Steuern auf Einkommen und Kapital im Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie übereinstimmend folgendes festgelegt:

COVID-19 bedingte Auslegung und Anwendung
der Grenzgängerregel
(Artikel 15 Abs. 4 DBA-Italien):

Die Sonderregelung über die Besteuerung von Einkünften von Grenzarbeitnehmern nach Artikel 15 Absatz 4 des Übereinkommens schreibt vor, dass die jeweiligen Steuerpflichtigen in der Regel zu ihrem Arbeitsplatz pendeln müssen. Somit wird dem Wohnsitzstaat das ausschließliche Recht auf Besteuerung eingeräumt. Hiermit stimmen die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten darin überein, dass Steuerpflichtige, die in der Regel zu ihrem Arbeitsplatz pendeln, aber derzeit im Inland arbeiten, weil die Verbreitung von COVID-19 vermieden wird, nach Artikel 15 Absatz 4 des Übereinkommens weiterhin als Grenzgänger besteuert werden.

Diese Vereinbarung der zuständigen Behörden tritt am Tagg nach der letzten Unterzeichnung durch die zuständigen Behörden in Kraft. Sie gilt im Rahmen der Beschäftigung, die zwischen dem 11. März 2020 und dem 30. Juni 2020 ausgeübt wurde, und erstreckt sich vom 30. Juni 2020 automatisch vom Ende eines Kalendermonats bis zum Ende des nächsten Kalendermonats, es sei denn, sie wird von der zuständigen Behörde eines Vertragsstaats mindestens eine Woche vor Beginn des folgenden Kalendermonats durch eine schriftliche Erklärung gekündigt.

Quelle: Erlass des BMF vom 27.06.2020, 2020-0.394.761, BMF-AV Nr. 96/2020 gültig ab 27.06.2020

Führt das COVID-19 bedingte Homeoffice zu
einer (ausländischen) Betriebsstätte des Arbeitgebers

In diesem Zusammenhang ist auch die weitere öBMF-Rechtsansicht (BMF vom 22.05.2020, 2020-0.271.800) im Zusammenhang mit der allfälligen Begründung einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Arbeitgebers von Bedeutung: Übt ein in Österreich ansässiger Arbeitnehmer eines im Ausland ansässigen Unternehmens während der COVID-19 Pandemie seine Tätigkeit aufgrund der von den jeweiligen Regierungen ausgesprochenen Empfehlungen im Homeoffice aus, so ist dies auf höhere Gewalt zurückzuführen. Angesichts der außergewöhnlichen Natur der COVID-19 Krise wird dadurch – sofern die Arbeit im Homeoffice nicht zum Regelfall wird – keine abkommensrechtliche Betriebsstätte für das ausländische Unternehmen begründet werden, weil es hierbei an einem ausreichenden Maß an Beständigkeit bzw. Kontinuität sowie an einer ausreichenden Verfügungsmacht des Unternehmens über das Homeoffice fehlt.

Zu weiteren Details und Rechtsansichten des BMF dürfen wir auf den LBG-Newsletter „BMF-Info zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) iZm Covid-19 Pandemie“ vom 26. Mai 2020 hinweisen.

LBG-Empfehlung:  Zu beachten ist, dass diese BMF-Rechtsansicht nur in den engen Grenzen der COVID-19-Pandemie gilt! Generell sind daher bei der Arbeitnehmerbeschäftigung und der Durchführung der Personalverrechnung hinsichtlich der Zuordnung von Steuerlasten und Sozialversicherungsbeiträgen zum jeweiligen Vertragsstaat das Vorliegen der abkommensrechtlichen und innerstaatlichen Voraussetzungen, beispielhaft für folgende Sachverhalte sorgsam zu prüfen: Steuerliche Ansässigkeit, abkommensrechtliche Abgrenzung von Einkunftsarten, Begründung einer lohnsteuerlichen oder ertragsteuerlichen Betriebsstätte bzw. aus Bauausführungen und Montagen (12-Monats-Regel) im jeweils anderen Vertragsstaat, Anwendbarkeit der 183-Tage-Regel, Grenzgängerregelung, grenzüberschreitende Sozialversicherungsabkommen, Qualifikation als Mitarbeiterentsendung, Arbeitskräftebestellung. Ebenso ist die ertragsteuerliche Zuordnung von Unternehmensgewinnen zu einem der Vertragsstaaten, beispielsweise bei Vorliegen der abkommensrechtlichen Voraussetzungen für eine DBA-Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat zu beachten. 

Stand: 1. Juli 2020 | LBG | Heinz Harb 

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