Kommanditgesellschaft: Wer stellt den Jahresabschluss auf, wie und durch wen erfolgt dessen Feststellung, Auswirkungen auf den Gewinnauszahlungsanspruch?
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte sich jüngst mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Brüdern im Zusammenhang mit der Aufstellung sowie der nachfolgenden Feststellung des Jahresabschlusses und des Anspruchs auf Gewinnauszahlung zu befassen. Die beiden Brüder hatten eine Kommanditgesellschaft (KG) errichtet und hierüber einen Gesellschaftsvertrag abgeschlossen. Ein Bruder fungierte als unbeschränkt haftender Gesellschafter (Komplementär), der andere als mit einer Haftsumme von EUR 10.000 beschränkt haftender Gesellschafter (Kommanditist). Der Kommanditist machte Jahre später die Auszahlung seines vermeintlich bisher zu geringen Gewinnanteils klagsweise bei Gericht geltend und brachte weiters vor, dass die Jahresabschlüsse der Vorjahre unrichtig und unvollständig aufgestellt und auch nicht rechtskonform durch seine Mitwirkung festgestellt worden seien.
Der OGH nahm diese Klage zum Anlass, in seinem Judikat generell für die Praxis der Kommanditgesellschaft wichtige Leitsätze darzulegen. Insbesondere lehnte er die frühere herrschende Auffassung, wonach der Jahresabschluss der (rechnungslegungspflichtigen) KG nur von allen persönlich haftenden Gesellschaftern (Komplementäre) zu unterzeichnen sei und damit als „festgestellt“ gilt als überholt mit dem Verweis auf den Grundlagencharakter des Feststellungsbeschlusses ab. Die Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses besteht nach Ansicht des OGH mit Hinweis auf die Lehre darin, dass hinsichtlich aller Fragen, für die der Jahresabschluss oder einzelne Positionen daraus von Bedeutung sind, eine für alle Gesellschafter verbindliche Determinante geschaffen wird.
Aufstellung des Jahresabschlusses: Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist (im Unterschied zur Feststellung des Jahresabschlusses) Aufgabe der geschäftsführenden Gesellschafter (Komplementäre). Dabei sind die gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen und Fristen zu beachten. Erfolgt dies nicht, ist die Klage auf Aufstellung des Jahresabschlusses gegen die geschäftsführenden Gesellschafter (wenn einer von mehreren Komplementären dies vertraglich übernommen hat, ist die Klage gegen diesen) zu erheben. Die Kommanditgesellschaft selbst ist daran nicht beteiligt.
Strittiger Jahresabschluss: Der Kommanditist, der den Jahresabschluss nicht anerkannte, muss diesen nicht gegen sich gelten lassen, wenn er nicht den Vereinbarungen (z.B.: Gesellschaftsvertrag) zwischen den Gesellschaftern entspricht. In diesem Fall kann der Kommanditist auf Feststellung der Unwirksamkeit des Jahresabschlusses oder auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses klagen. Dem OGH folgend, ist die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Jahresabschlusses gegen die Gesellschaft zu richten. Der in der Literatur teilweise auch vertretenen Ansicht, die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Jahresabschlusses oder auf Herstellung eines richtigen Jahresabschlusses könne stattdessen auch (nur) gegen die geschäftsführenden Gesellschafter erhoben werden (H. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB § 167 Rz 4), folgt der OGH nicht. Diese Auffassung ist nach Ansicht des OGH jedoch vor dem Hintergrund der heute überholten herrschenden Auffassung zu sehen, wonach an der Feststellung des Jahresabschlusses die Kommanditisten nicht mitwirken.
Feststellung des aufgestellten Jahresabschlusses: Von der Aufstellung des Jahresabschlusses ist dessen endgültige Feststellung zu unterscheiden. Entgegen der älteren Lehre, wonach an der Feststellung des Jahresabschlusses nur die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre) mitwirken, obliegt diese nach dem OGH den Komplementären und Kommanditisten.
Nach der Lehre handelt es sich bei der Feststellung des Jahresabschlusses um ein privatrechtliches Rechtsgeschäft, durch das der Inhalt des aufgestellten Jahresabschlusses verbindliche Wirkung zwischen den Gesellschaftern entfalten soll. Die heute herrschende Ansicht behandelt die Feststellung des Jahresabschlusses als Grundlagengeschäft (oder als Organisationsgeschäft mit größerer Nähe zu Grundlagengeschäften), das der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, somit auch der Kommanditisten, bedarf, wobei der Gesellschaftsvertrag für die Feststellung auch abweichende Mehrheiten vorsehen kann.
Die frühere herrschende Auffassung, wonach der Jahresabschluss der (rechnungslegungspflichtigen) KG nur von allen persönlich haftenden Gesellschaftern zu unterzeichnen sei und damit als „festgestellt“ gilt, wird von der heute herrschenden Meinung unter Verweis auf den Grundlagencharakter des Feststellungsbeschlusses abgelehnt.
Die Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses besteht nach der Lehre darin, dass hinsichtlich aller Fragen, für die der Jahresabschluss oder einzelne Positionen daraus von Bedeutung sind, eine für alle Gesellschafter verbindliche Determinante geschaffen wird. Der OGH schließt sich dieser Auffassung an.
Die Klage auf Zustimmung zur Feststellung des Jahresabschlusses ist gegen den die Zustimmung zu Unrecht verweigernden Gesellschafter zu richten. Soll hingegen eine bereits erfolgte Feststellung des Jahresabschlusses bekämpft werden, erfolgt die Geltendmachung der Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses nach allgemeinen Regeln mittels Klage gegen die übrigen Gesellschafter; wiederum ist die Gesellschaft selbst an diesem Verfahren nicht beteiligt. Außerdem kann nach allgemeinen Grundsätzen ein rechtliches Interesse (§ 228 ZPO) an der Feststellung einzelner Positionen des Jahresabschlusses bestehen. In diesem Fall ist wiederum die Klage gegen die übrigen Gesellschafter zu richten.
Gewinnausschüttungsanspruch: Das im Jahresabschluss oder in der sonstigen Abrechnung der Kommanditgesellschaft ausgewiesene Ergebnis des Geschäftsjahres bildet die Berechnungsgrundlage für die Anteile der Gesellschafter am Gewinn und Verlust. § 167 UGB regelt die Zuteilung von Gewinn und Verlust an Komplementäre und Kommanditisten. Der Anspruch auf Gewinnauszahlung entsteht grundsätzlich erst mit der wirksamen Feststellung des Jahresabschlusses. Soweit nach dem Gesellschaftsvertrag der KG ein eigener Gewinnverwendungsbeschluss erforderlich ist, muss auch dieser vorliegen.
Die Klage auf Auszahlung des Gewinn(‑anteil‑)s ist grundsätzlich gegen die Gesellschaft zu richten. Inwieweit in diesem Fall ausnahmsweise auch Ansprüche direkt gegen den geschäftsführenden Gesellschafter geltend gemacht werden können, war im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen.
Richtig aufgestellter Jahresabschluss als Grundlage für die Feststellung und Gewinnverteilung: Sofern noch kein Jahresabschluss erstellt ist, hat ein Gesellschafter, der einen Gewinnausschüttungsanspruch geltend macht, zunächst dessen Aufstellung zu betreiben. Liegt bereits ein Jahresabschluss vor, der aber noch nicht festgestellt ist, ist zunächst die Feststellung des Jahresabschlusses, erforderlichenfalls durch Klage auf Zustimmung der übrigen Gesellschafter, zu begehren. Wurde demgegenüber, weil der Gesellschaftsvertrag insoweit einen Mehrheitsbeschluss vorsieht, der Jahresabschluss mit bloßer Stimmenmehrheit festgestellt, so ist dieser Beschluss nach allgemeinen Regeln anzufechten. Die vorgeschaltete Feststellung des richtigen Jahresabschlusses ist im Allgemeinen kein bloßer – unnötiger – Zwischenschritt, weil andernfalls bei mehreren Gesellschaftern jeder den seiner Ansicht nach richtigen Gewinnanspruch einklagen könnte. In jedem Verfahren wäre der Jahresabschluss nur als Vorfrage ohne Bindungswirkung für die übrigen Gesellschafter festzustellen. Im Ergebnis könnten die Gerichte, wenn die Gesellschaft mehrere Gesellschafter hat, so zur Feststellung unterschiedlicher Jahresabschlüsse und unterschiedlicher Gewinne gelangen. Dies wird vermieden, wenn zunächst ein richtiger Jahresabschluss als Grundlage für die Gewinnverteilung festgestellt wird.
Sonderfall bei nur einem Komplementär und nur einem Kommanditisten: Im vom OGH zu beurteilenden Fall bestand die Besonderheit, dass die Gesellschaft nur aus einem (einzigen) Komplementär und einem (einzigen) Kommanditisten besteht. Dabei ist der Komplementär als Vertreter der Gesellschaft ohnedies am Verfahren beteiligt; durch seine Eigenschaft als Vertreter der Gesellschaft kann er seinen Tatsachen- und Rechtsstandpunkt unbeschränkt im Verfahren geltend machen. Außerdem besteht in einer Konstellation wie der hier vorliegenden nicht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen aufgrund von Klagen verschiedener Gesellschafter. Daher schadet nicht, wenn die (Un‑)Richtigkeit des Jahresabschlusses nur als Vorfrage und damit ohne Bindungswirkung gegenüber anderen Gesellschaftern festgestellt wird. In dieser Sondersituation kann der Kläger daher sofort die Gesellschaft auf Leistung klagen. In diesem Fall ist als Vorfrage der sich aus einem zutreffenden Jahresabschluss ergebende Gewinn zu ermitteln. (Nur) Für diese Sonderkonstellation kann die sonst zur Herbeiführung der Fälligkeit erforderliche vorherige Feststellung des Jahresabschlusses entfallen. Der OGH verweist der Vollständigkeit halber darauf, dass es im vorliegenden Fall entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht in Betracht kommt, ihm sofort einen Betrag, der seinem Gewinnanteil nach den „bestehenden Jahresabschlüssen“ entspreche, zuzusprechen. Zwar wird vertreten, dass die Feststellung des Jahresabschlusses eine Angelegenheit ist, die in der Regel von einer allgemeinen Mehrheitsklausel des Gesellschaftsvertrags erfasst wird. Im vorliegenden Fall behaupten jedoch beide Parteien, dass der vorliegende Jahresabschluss unrichtig ist. Zudem war der Kläger (Kommanditist) bisher an der Feststellung des Jahresabschlusses nicht beteiligt. Damit fehlt es aber am Vorliegen eines wirksamen Jahresabschlusses, auf dessen Grundlage dem Klagebegehren (wenn auch nur zum Teil) stattgegeben werden könnte.
Stand: 10. Dezember 2020 | LBG | Quelle: OGH 23.1.2020, 6 Ob 219/19b
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